Seit über 23 Jahren wohne ich nun schon in Oberkrich, aber immer wieder entdecke ich Neues. Am gestrigen Samstag zum Beispiel war es das Jahrestreffen der Modellbahnfreunde Renchtal in der Erwin-Braun-Halle in Oberkirch. Dort geht es rund um das Thema Modelleisenbahnen, die gesamte Halle war gefüllt mit Anlagen in dem Massstäben N, TT und H0 u.a. von den Modellbahnfreunden Renchtal, dem BSW Offenburg und einigen anderen Ausstellern. Im Foyer gab es einen kleinen Modelleisenbahn-Flohmarkt. Das Highlight in Oberkirch in diesem Jahr war dort für mich eindeutig die 14 Meter lange Schauanlage „Le Train de la Moder“ von Hubert und Laurent Bertrand aus dem Elsass.
Die Anlage der beiden Franzosen aus dem Elsass lockten nicht mit aufwendiger Digitaltechnik, nicht mit zahllosen Lokomotiven oder Zügen und auch die Anzahl an Schienen, Weichen und Signalen war überschaubar. Aber genau das war das Besondere. Auf den 14 Metern Elsass ging es um Landschaft, deren möglichst Vorbild getreue Gestaltung und die traditionelle Architektur in der grenznahen Region zu Baden-Württemberg. Fast jedes Haus war nach Originalvorbildern selbst konstruiert und hergestellt worden. Dabei kamen keine modernen Fertigungsmethoden wie Lasercut oder 3D-Druck zum Einsatz. Jedes Teil wurde von Hand, meist aus Karton gefertigt, zusammen geklebt und angemalt. Für ein kleineres Häuschen gehen da schon mal an die 30 Arbeitsstunden bei drauf. Das Ergebnis allerdings ist einmalig und atemberaubend. Selten sieht man Modelleisenbahn-Gestaltung mit so viel Liebe und Perfektion zum Detail, die eine derart großartige Atmosphäre ausstrahlt.
Seit 2006 bauen der Vater Hubert und dessen Sohn Laurent schon an dieser Anlage, die natürlich nie fertig wird, wie mir Laurent sagte. Angefangen haben sie mit 6 Metern, die in Modulbauweise angefertigt ist, um sie auch zu Ausstellungen transportieren zu können – und das passiert oft! Bereits auf 110 Ausstellungen in Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland waren die zwei mit ihren mittlerweile 10 Modulen á 140 cm Länge.
Auch einige amüsante Szenen findet man auf der Anlage, wenn man genau hinschaut. Der französische Charme und Humor schwingt eben überall mit. Die meisten der kleinen Figuren sind in detailreicher Handarbeit mit Gespür für das reale Leben selbst bemalt worden. Der Unterbau der Landschaft ist ganz klassisch aus einem Holzgerippe, Maschendraht, Zeitungspapier und Gips erstellt worden.
Immer wieder war ich fasziniert von der Natur, die auf der Anlage dargestellt wird. Ich vermutete zwei sehr genaue Beobachter in den Modellbauern dieser Anlage. In einem kleinen Nebensatz erfuhr ich dann von Laurent, warum die Landschaftsdetails und Vegetation der Anlage so gut gelungen ist: sowohl Laurent als auch sein Vater Hubert sind von Beruf Landschaftsgärtner. Na, kein Wunder, könnte man da denken! Sie verstehen offenbar etwas von ihrem Handwerk.
Aber nicht nur die Natur haben die zwei genauestens beobachtet, auch das sonstige Leben im Elsass wird in vielen amüsanten und manchmal auch traurigen Begebenheiten detailverliebt wiedergegeben. Ob es nun die Tomatensträucher, die Kohlköpfe, die Gießkanne im Garten, die Grabsteine oder die Wäsche auf der Leine ist, es wurde an alles gedacht.
Auf den folgenden Bildern sieht man einige Schritte, die zur Herstellung der elsässischen Fachwerkhäuser notwendig sind und alle in Handarbeit erfolgen.
Zunächst wird das Haus, das als Vorbild dient, vermessen und die Maße auf Papier im Maßstab 1:87 aufgezeichnet. Nach diesen Zeichnungen werden dann aus stabilem Karton, hier ist es ein alter Kalender, die Wände und sämtliche anderen Teile des Hauses ausgeschnitten und zusammen geklebt.
Anschließend werden die Teile angemalt.
Das Dach ist jedoch eine besondere Herausforderung. Anders, als bei industriellen Häuser-Bausätzen ist der Anspruch von Laurent und Hubert eine hohe Authentizität. In diesem Fall bedeutet das, dass die Dachschindeln nicht alle die gleiche Form und Farbe haben sollen, ganz so, wie bei einem alten Haus in der Realität.
Um das zu erreichen, haben die Macher sich aus einem Nagel ein spezielles Stanzwerkzeug hergestellt. Damit stanzen sie jede einzelne Dachschindel aus einem langen Papierstreifen aus und kleben den Streifen auf das Dach.
Ich frage mich, wieviele Millionen Schindeln sie wohl schon auf diese Weise hergestellt haben.
Das Ergebnis ist bei diesem Aufwand dann auch perfekt und wer es möchte, kann ja mal in einem der elsässischen Dörfer nachschauen, ob er eine der Schindeln wieder erkennt!
Diese hochwertige Arbeit bleibt in der Szene natürlich nicht unbemerkt. Mehrere französische und belgische Modelleisenbahn-Zeitschriften haben bereits über „Le train de la Moder“ berichtet. Darunter die Zeitschrift „Loco-Revue“, das Magazin „Le Train“ und das „Train Miniature Magazine“.
In der nachfolgenden Galerie gibt es noch einige weitere Facetten, die man auf der Anlage entdecken kann.
Wer Fragen zu dem Projekt „Le train de la Moder“ hat, kann Hubert und Laurent Betrand, die in der Region Haguenau im Nord-Elsass leben, über deren Homepage www.letraindelamoder.fr erreichen.
Um die Anlage live zu erleben, gibt es hier eine Liste von Modelleisenbahn-Messen, -Märkte und -Börsen. Vielleicht trifft man sie dort.